Künstliche Intelligenz für höhere Erträge: Kenianische Landwirte setzen auf KI, um ihre Produktivität zu steigern
Sammy Selim bewegt sich durch die dichten, glänzend grünen Sträucher auf den Hängen seiner Kaffeefarm im Dorf Sorwot in Kericho, Kenia. An seiner Seite ist der jüngere Bauer Kennedy Kirui. Sie stoppen an verschiedenen Stellen des Feldes, um die Koordinaten der Farm über WhatsApp zu verschicken.
Die WhatsApp-Nachricht geht an den „Virtuellen Agronomen“, ein KI-gestütztes Werkzeug, das auf Basis von Chat-Anfragen Düngeempfehlungen gibt. Nach einer kurzen Rückfrage des Chatbots erhält Selim einen Bericht, der ihm rät, einen Ertrag von 7,9 Tonnen anzustreben und dabei drei verschiedene Düngersorten in genau abgestimmten Mengen zu verwenden.
„Mein Gott!“, ruft Selim erstaunt, als er den Bericht liest. Ursprünglich hatte er geplant, deutlich mehr Dünger einzusetzen, als ihm der Virtuelle Agronom empfohlen hat. „Ich hätte so viel Geld verschwendet.“
In Kericho und vielen anderen Teilen Kenias greifen immer mehr Kleinbauern auf KI-basierte Werkzeuge zurück, um die Qualität und Quantität ihrer Ernten zu verbessern.
Ein zentrales Problem für die Landwirte in dieser Region ist der Verlust von Ernten durch Schädlinge, Krankheiten und mangelndes Fachwissen. Früher vertrauten die Bauern auf die Beratung von Landwirtschaftsexperten, die von lokalen Regierungen entsandt wurden, um den Landwirten Wissen zu vermitteln. Doch deren Zahl ist in den letzten Jahren stark zurückgegangen, da es an finanziellen Mitteln fehlt.
Selim begann 2022, den Virtuellen Agronomen auf seiner 0,4 Hektar großen Farm zu nutzen – zunächst mit Unterstützung eines anderen Landwirts, der ein Smartphone besaß. Mit den Empfehlungen der KI konnte er 7,3 Tonnen Kaffee produzieren – der höchste Ertrag, den er je erzielt hatte. Nun hofft er, dass die neuen Empfehlungen erneut positive Ergebnisse bringen. „Die Technologie hilft“, sagt er überzeugt.
Bevor er den Virtuellen Agronomen nutzte, setzte Selim Dünger nach dem sogenannten „Bauernwissen“ ein, ohne die tatsächliche Beschaffenheit seines Bodens zu kennen. Dabei brachte er verschiedene Düngersorten zu unterschiedlichen Jahreszeiten aus, was jedoch oft zu geringen Erträgen führte. In einer Saison konnte er nur 2,3 Tonnen Kaffee ernten.
Gelegentlich brachte er Bodenproben in weit entfernte Labore, um sie testen zu lassen. Die Ergebnisse ließen jedoch oft Monate auf sich warten oder kamen gar nicht an. „Ein großes Problem für die Bauern ist, dass sie oft nicht wissen, was ihr Boden tatsächlich braucht“, erklärt Florah Maritim, Leiterin der Sorwot Coffee Farmers Cooperative Society, die den Kaffee von lokalen Bauern aufkauft.
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Bekämpfung von Schädlingen und Krankheiten, die die Pflanzen bedrohen. Auch hier bietet Künstliche Intelligenz eine Lösung.
Musau Mutisya, ein Bauer aus dem Dorf Kwa Mwaura im Landkreis Machakos, erinnert sich, wie er früher auf sein eigenes Wissen angewiesen war, um Schädlinge und Krankheiten zu identifizieren – doch nicht immer lag er richtig. An einem sonnigen Morgen auf seiner 0,6 Hektar großen Maisfarm richtet er seine Handykamera auf ein zerrissenes Blatt einer Maispflanze. Mithilfe der App „PlantVillage“, die ebenfalls von KI unterstützt wird, versucht er, den Schädling zu identifizieren.
Eine Sprachassistenz gibt ihm Anweisungen, wie er das Handy halten soll, und identifiziert den Schädling schließlich als Heerwurm. Die App liefert ihm zudem Empfehlungen, wie er die Ausbreitung des Schädlings eindämmen kann. „Früher haben wir einfach geraten“, sagt Musau. „Am Ende gibt man mehr Geld aus, um ein Problem zu bekämpfen, das man gar nicht genau kennt.“
Beide Werkzeuge – der Virtuelle Agronom und PlantVillage – funktionieren, indem sie KI-Modelle auf Grundlage von Bildern und Daten trainieren. Die Forscher hinter PlantVillage haben tausende Bilder von gesunden und erkrankten Pflanzen in das System eingespeist, damit die KI lernt, Schädlinge zu identifizieren. Für den Virtuellen Agronomen trainierten die Forscher das Modell auf der Basis von Satellitendaten, um den pH-Wert und andere Bodenparameter zu bestimmen.
Die Technologien haben sich für die kenianischen Landwirte als wertvolle Werkzeuge erwiesen, um den Herausforderungen des Klimawandels und der wachsenden Nachfrage nach Nahrungsmitteln entgegenzutreten. Dank KI-gesteuerter Beratung können Landwirte wie Sammy Selim und Musau Mutisya ihre Produktionsmethoden optimieren und dadurch die Erträge steigern – ein wichtiger Schritt, um ihre Lebensgrundlage zu sichern und die Landwirtschaft in Kenia zukunftsfähig zu machen.